„Ich, Ennio Morricone, bin tot.“
Die letzten Zeilen des sterbenden Musikgenies und zweifachen Oskar-Preisträgers, die wir heute der Presse entnehmen durften, machen Gänsehaut, so anrührend sind sie. Morricone verabschiedet sich darin von Freunden und Familie und ganz besonders von seiner Frau Maria, mit der er seit 1956 verheiratet war.
Bei einem der vielen Kindergeburtstage der Kamener Pfarrersfamilie Szameit saß ich unterm Esstisch und wartete darauf, entdeckt zu werden. Wir spielten Verstecken im Dunklen, und eigentlich hoffte ich inständig, ganz lange nicht entdeckt zu werden. Die Dunkelheit war umfassend. Als würde ich unter einer Decke stecken, sah ich nichts in dem fremden Esszimmer außer dem schwachen Schimmer eines Radioapparates. Umso mehr hörte ich. Aus dem Radio kam eine Musik, die mir langsam die Eingeweide hochstieg, zuerst meinen Bauch erfasste und dann meinen Schädel. Mein ganzes Denken löste sich in diesen merkwürdigen Mundharmonikaklängen auf. Wie unter Schmerzen schmierten sie ab, immer nur zwei, höchstens drei Töne, als wollten sie sich niemals greifen lassen, und dann woben sich Bläser und Streicher und eine dominante E-Gitarre darunter hindurch, Chorstimmen, Glockenschläge – ein ganzes Orchester schwoll mit einer vollkommen eigenen Melodie an, doch die Mundharmonika mit ihren sparsamen Tönen hielt sich darüber, ließ sich nicht abschütteln, schnitt und fraß sich für immer in mein Gehirn.
Das war Spiel mir das Lied vom Tod, erklärte mir die Pfarrersfrau später, ein wenig erstaunt, dass ich es nicht kannte (bei uns lief nie das Radio). Es sollte noch ein paar Jahre dauern, bis ich den dazugehörigen Film sah, vierzehn, fünfzehn Mal hintereinander, schon in Tübingen im Arsenal (das es seit kurzem nicht mehr gibt, aber das ist eine andere traurige Geschichte). Zu gern würde ich ihn mal wieder im Kino sehen und hören: harte Männergesichter, unerbittliche Wüsten und die schneidenden Klänge der Mundharmonika.
Ich danke Dir, großer Ennio Morricone!