Der Verein Deutsche Sprache hat eine Unterschriftenaktion gestartet. Genauer: Einen „Aufruf zum Widerstand!“ So kurz und bündig wie der Titel ist auch sein Programm: „Schluss mit dem Gender-Unfug!“
Die prominente Unterschriftenliste – man soll sich bei einer Sache ja nicht um die Personen scheren, die sie unterstützen, aber Gucken ist erlaubt – führen u.a. Kai Dieckmann und, oh Schreck!, Dr.Dr. Rainer Zittelmann an. Dazwischen, WHUOT???, Didi Hallervorden sowie die Lyriker Kunert und Kunze, die ich ausnehme, weil in Gedichten – subjektive Perspektive – sowieso nicht gegendert wird, und logo, Cora Stephan, die seit den Siebzigern immer zur Stelle ist, wenn es darum geht, rückwärts zu gehen – also:
Wem soll diese Aktion NÜTZEN?
Sprache entwickelt sich. Sprache ist wie ein wildes, unbändiges Tier. Sie lässt sich nicht per Beschluss in ihre Schranken weisen, auch nicht von hochgerüsteten Sprachschützern.
Das haben schon andere versucht, etwa die Fruchtbringende Gesellschaft und Gelehrte wie M. Opitz im 17. Jahrhundert. Der Eifer einiger Mitglieder, jeglichen fremden Einflüssen (besonders dem Französischen) den Garaus zu machen, nahm mitunter groteske Züge an, etwa so, als würde man heute versuchen, sich gegen englische Fremd- und Lehnwörter zu stemmen. Kann man machen, ist aber reine Kraftverschwendung.
Irgendwann werden sich die exzessiven Auswüchse des Genderns im Sand der Geschichte verlieren – und vieles davon wird bleiben, da es sich als kulturell angemessen erwiesen hat. So wie die Anglizismen in der deutschen (Umgangs)sprache ganz sicher nicht ab- , sondern zunehmen werden, obwohl es auch dagegen eifernde Gesellschaften und Unterschriftenlisten gibt; der Kampf gegen Denglisch ist der Hauptantrieb des Vereins Deutsche Sprache.
Lohnt sich die Aufregung darüber? Von irgendwelchen gesetzlichen Vorgaben in Sachen geschlechtergerechte Sprache sind wir noch ziemlich weit entfernt, wie sich an der Nichtdurchsetzung des generischen Femininums, also der „Professorin“ für alle Professorinnen und Professoren an der Uni Leipzig, – nur um ein Beispiel zu nennen – gezeigt hat. Doch das Gendern ist staatlich gewollt und in den meisten wissenschaftlichen Disziplinen mittlerweile Standard. Die schon längere Geschichte des Genderns und die leidenschaftliche öffentliche Diskussion darüber bringen es mit sich, dass inzwischen fast jede(r) ein bisschen gendert, und das ist auch gut so.
Denn die bestehenden Geschlechterverhältnisse ändern sich für alle spürbar, unsere Hör-, Lese- und Schreibgewohnheiten sind anders als noch vor 20 Jahren. Selbstverständlich schlägt sich ein verändertes soziales Bewusstsein in der Sprache nieder. Umgekehrt erhöht aber auch das Einhalten sprachlicher Konventionen die soziale Sensibilität und die gesellschaftliche Kompetenz – eine fruchtbringende Wechselwirkung!
Gendern ist etwas unbequem, zunächst. Aber: „Alles ist schwer, bevor es leicht ist (Thomas Fuller).“ Und wer auf noch mehr Gendern im Moment keinen Bock hat, lässt es eben bleiben.
Letztlich gilt: Ich als Sprecherin / Autorin etc. bestimme die Spielregeln. Wie viele Doppelnennungen oder Gender*Sternchen noch ästhetisch sind, ist allein meine Entscheidung. Passieren tut niemandem was, und der Mut zum eigenen Weg hebt auch das Selbstwertgefühl.