Wachsen über den Dächern

Jetzt also auch noch eine Kräuterecke.

Mein Gärtchen ist eigentlich eine Dachterrasse. Die ist sogar ziemlich groß. Früher, in meinem alten Leben, standen da drei Töpfe mit Rosen herum. Die haben mich nie interessiert. Ich hab sie vergessen zu gießen, und irgendwann sind sie vertrocknet. Dann wucherten drei Jahre lang nichts als Unkraut und Moose über die Ränder. Jetzt aber ist Dornröschen erwacht, schüttelt den Staub von den Kissen und staunt. Siehe da, so viel ungenutzte Fläche. Da muss doch was her, was was her macht. Und also entsteht jetzt mein Gärtchen.

Mich interessiert die Fülle. Ich mag das, wenn viel rumsteht, wenn es viel zu gucken gibt und anzufassen. Ich mag auch volle Kleiderschränke, volle Geschirrregale, Fressvorräte für alle Fälle, Bettwäsche in Stapeln, Reserven an Badeschäumen und Seifen, Kleber, Nähgarne in allen Farben, Werkzeug, Schrauben und Dübel in allen Größen und Facetten. Ich mags nicht kleinlich. Wenns nicht reicht. Wenn es reichlich Platz gibt, und dann stehen da nur drei Töpfe. Nichts Halbes und nichts Ganzes. Ich mag das Ganze. Das Bekenntnis statt das Taktieren: Ja, hier ist Platz für dreißig Töpfe! Hol sie her, die alten, vermoosten Tonkrüge, die weißen Sandsteinkübel und die glasierten Gurkentöpfe, lass uns darin anpflanzen, was tiefe Wurzeln schlägt und himmlische Blüten treibt. Mit dreißig Töpfen kannst du dich beschäftigen. Die machen nicht nur was her. Die machen aus dir eine Gärtnerin

und schon bist du eine Andere.

Und schon schneidest du dir was von der Zitronenmelisse weg und kochst einen Tee davon, wenn S. oder P. vorbeikommen und Fragen stellen nach den vielen Töpfen und Pflanzen, während sie mit dir in der untergehenden Abendsonne einen Kräuertee auf der wundersam verwandelten Terrasse über den Dächern trinken.